
Franziska Herren ist die Initiantin der «Initiative für sauberes Trinkwasser». In etwas mehr als fünf Monaten hat sie mit ihrem Team bereits über 77’000 Unterschriften gesammelt. «Petri-Heil» traf die umtriebige Bernerin und sprach mit ihr vor allem über eins: Unser Wasser. Und über die Gifte, mit denen wir es selber belasten. Ich sitze mit Franziska Herren in einem von Licht durchfluteten Raum, auf dem Tisch steht ein Krug mit Hahnenwasser, daneben zwei Gläser. Sie füllt ein. «Wasser ist Leben», zischts mir durch den Kopf, während sich mein Glas füllt. «Gerade uns Fischern sollte dies besonders klar sein.» Wie wenn Franziska Herren meine Gedanken gelesen hätte, findet sie: «Warum aber vergiften dann Bauern unser Wasser, das ja unsere die Grundlage jeden Lebens ist, systematisch? Und wir, das Volk, finanzieren das erst noch kräftig mit?» Franziska Herren hat das Argumentarium ihrer Initiative verinnerlicht, die Daten und Fakten sprudeln nur so aus ihr heraus. «Von der Schweizer Landwirtschaft werden enorme Mengen an Insekten-, Pflanzen- und Pilzvernichtungsmitteln in die Umwelt gepumpt. Fast doppelt so viel wie in Deutschland und Österreich. Was das bewirkt, haben wir diesen Sommer in der Studie zu den kleinen Fliessgewässern der Schweiz schwarz auf weiss gesehen: Kein einziger getesteter Bach hat auch nur annähernd gute Wasserqualität, teilweise waren die Konzentrationen der giftigsten Chemikalien massivst über dem zulässigen Höchstwert. Es gab sogar Bäche, wo ein toxischer und damit lebensfeindlicher Zustand erreicht wurde.» Fischrückgang wegen Gift im Wasser? Ein Pestizid, das auf Baum oder Feld eingesetzt Insekten vernichtet, hört auch im Wasser nicht auf, diese zu töten. Und, sind wir mal ehrlich: Im Wasser landet doch am Ende alles! Wäre es möglich, dass neben all den anderen Faktoren wie Begradigungen, Kanalisierungen, Wassererwärmung, Prädatorenfrass usw. vor allem auch das Fehlen von Nahrung für den massiven Fischrückgang in der Schweiz mitverantwortlich ist? Würde Sinn machen: Wo keine Nahrung ist, können auch keine Fische überleben. Und wie sieht es aus mit der Wirkung all dieser verschiedenen Gifte auf den Fisch direkt? «Hier kommt die Trinkwasserinitiative ins Spiel», ist Franziska Herren überzeugt. «Wird sie angenommen, krempelt sie das gesamte System in der Landwirtschaft um: Nur noch Bauern, die ökologisch sinnvoll, das heisst ohne Pestizide, prophylaktischen Antibiotika-Einsatz arbeiten und nur so viel Vieh halten, wie sie ohne Importfutter ernähren können, bekommen Subventionsgelder. Die Bauern, die weiter machen wie bisher, bekommen dann einfach keine Zahlungen mehr.» Bauern unter Druck? Auf die Erfahrungen mit Landwirten angesprochen, die ja bereits über ihren Verband ausrichten liessen, wie «gefährlich» die Trinkwasser- sowie die Pestizidinitiative seien, sagt sie: «Denken Sie wirklich, dass es den Bauern Freude bereitet, regelmässig in schweren Schutzanzügen und mit Atemschutzmasken Gift in die Umwelt, auf ihr Land, zu pumpen? Denken Sie, dass es ihnen nicht insgeheim bewusst ist, dass sie damit nicht nur ihre Pflanzen, sondern auch ihren Boden, die umliegenden Gewässer, das Grundwasser, damit schlussendlich uns alle und auch sich selber vergiften?» Es komme vor, dass Bauern, mit denen Herren ins Gespräch komme, negativ eingestellt seien gegenüber der Initiative. «So lernen sie es in ihrer Ausbildung, es wird ihnen – mit grosszügiger Unterstützung der Chemie- und Pharmaindustrie – regelrecht eingetrichtert: Guter Ertrag und damit Gewinn ist nur mit Pestiziden und Antibiotika möglich.» Sobald man aber tiefer ins Gespräch eintauche, würden die Bauern erkennen, dass sie mit der Initiative nicht allein gelassen werden, sondern sie Geld dafür bekommen, wenn sie ökologisch und damit im Sinne einer nachhaltigen Landwirtschaft produzieren. «Das ist ja gerade das Gute an unserer Initiative: Sie kostet nicht mehr Geld, sondern das vorhandene Geld wird einfach anders verteilt – an die nämlich, die ökologisch produzieren!» Antibiotika-Resistenzen Franziska Herren geht mit ihrer Initiative bewusst auch auf ein weiteres gravierendes Problem unserer Zeit ein: Antibiotikaresistente Keime in unserem Wasser. «Es ist nachgewiesen, dass sechs Prozent der Bevölkerung bereits antibiotikaresistente Darmbakterien in sich tragen.» Dass dies ein massives Sicherheitsrisiko darstellt, ist nicht nur der Schweizer Gesundheitsbranche, sondern auch dem Bund bewusst. «Nur unternimmt niemand wirklich etwas dagegen.» Zu gross der Einfluss, den die Bauern- und Chemie-Lobby in Bern haben, zu gross die Geldströme, die mit einer – dringend nötigen – Änderung zu versiegen drohten. Woher aber stammen nun die Antibiotikaresistenzen? «Zum grössten Teil aus der prophylaktisch eingesetzten Antibiotika in der Tiermast», erklärt mir Herren. «Damit die Nutztiere möglichst produktiv sind und nicht krank werden, werden sie regelmässig und prophylaktisch mit Antibiotika vollgepumpt (gemäss «Beobachter» mit rund 50 Tonnen jährlich). Und entwickeln Resistenzen dagegen. «Dabei müssten Antibiotika reine Heilmittel sein, die nur verwendet werden sollten, wenn wirklich eine Krankheit vorliegt», meint Herren, und fährt weiter: «Es ist doch absurd: Es gibt kein Verbot für den prophylaktischen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung in der Schweiz!» Die in der Tierhaltung eingesetzten Antibiotika würden via Gülle und Mist auf die Felder gelangen und von dort auch in den Wasserkreislauf. Dabei handle es sich um eine Mehrfach-Bedrohung, denn diese multiresistenten Bakterien könnten sich über Gewässer, aber auch über die Nahrung verbreiten. Ein Teil der verabreichten Antibiotika sammelt sich auch in der Kuhmilch an. Franziska Herren: «Jedes Jahr werden 87 Millionen Liter Kuhmilch aufgrund von Antibiotikakontamination aus dem Verkehr gezogen.» Was macht man mit dieser Milch? «Entweder wird sie zur Fütterung der Kälber verwendet – oder aber mit der Gülle auf den Feldern verteilt, von wo aus die Antibiotika wieder in den Boden und damit in unsere Gewässern gelangen. Und am Ende wieder im Trinkwasser landen.» Gülle-Problem Auch die viel zu hohen Nutztierbestände in der Schweiz, die auf Importfutter angewiesen sind, greift Herren mit ihrer Initiative an: «Es werden Jahr für Jahr 23 Millionen Tonnen Gülle und Mist produziert – das ist viel mehr, als unser Land je verkraften könnte!» Ob es ein Zufall sei, dass beispielsweise im Kanton Luzern in erschreckender Regelmässigkeit sogenannte «Gülleunfälle» passieren, fragt sie – ohne jedoch wirklich eine Antwort zu erwarten. «Es gibt sogar Seen, die durch die massive Überdüngung der sie umgebenden Landwirtschaft eigentlich bereits längstens gekippt wären. Dies aber nicht tun, weil sie vom Menschen permanent und mit grossem Aufwand belüftet werden», gibt Franziska Herren zu bedenken. Und dennoch: Es wird munter weiter Gülle...
The post «Wir vergiften unser Wasser systematisch» appeared first on Petri-Heil.